Ratgeber Lawinenairbag Grundlagen

Ratgeber Lawinenairbag – was ist ein Lawinenairbag?

Ein Lawinenairbag ist ein Rucksack mit ein oder zwei integrierten Luftpolstern, welche im Falle eines Lawinenabgangs vom Träger aktiviert werden und die Verschüttung in einer Lawine verhindern können. Seit 1985 werden Systeme in enger Zusammenarbeit mit Lawinenexperten, Bergführern, Universitäten und Sportlern weiter entwickelt und dem aktuellen Forschungsstand angepasst. Das bekannteste System ist von ABS. Daneben gibt es Systeme von Mammut/Snowpulse, Backcountry Access, Alpride, Black Diamond etc.

Die lebensrettende Wirksamkeit ist bewiesen. Zahlen von ABS zeigen, dass von 262 Personen mit ausgelöstem ABS Lawinenairbag 97 % überlebten, 84 % davon unverletzt. (Quelle: SLF, Bekannte und dokumentierte Lawinenunfälle mit ABS Lawinenairbag, August 2010.)

Ratgeber Lawinenairbag: Wie funktioniert ein Lawinenairbag?

Mit einem Zug am Auslösegriff des Rucksacks werden sekundenschnell ein oder zwei Airbags aufgeblasen und das eigene Körpervolumen dadurch um mindestens das 1,5- fache erweitert. Den Rest erledigt ein einfaches physikalisches Gesetz: Bewegen sich mehrere Teilchen gleichzeitig, «schwimmen» die grössten obenauf. Nichts anderes geschieht bei einem Lawinenabgang: das zusätzliche Volumen gibt den notwendigen Auftrieb, um an der Oberfläche zu bleiben. Und damit wahrscheinlicher auch am Leben. In allen Phasen der Lawine entwickeln die Airbags einen unerreichten dynamischen Auftrieb, verhindern ein Zurücksinken in die Schneemassen und in der alles entscheidenden Auslauf- und Ablagerungsphase kommt das Lawinenopfer in eine möglichst flache Position.

Ratgeber Lawinenairbag: Wer braucht einen Lawinenairbag?

Der Lawinenairbag ersetzt nicht die Standard-Sicherheits-Ausrüstung bestehend aus Schaufel, Sonde und LVS-Gerät. Aber er kann als Ergänzung sehr sinnvoll sein für alle Wintersportler, die sich im ungesicherten Skiraum bewegen, wie z.B. Skitourengeher, Freerider oder Snowboarder oder auch Profis wie Profi-Freerider, Bergrettungen, Lawinenkommissionen, Flugrettungen, Pistenpatrouilleure, Heliskiorganisationen, Militär, Polizei, sowie Bergführer und Bergsteigerschulen. Problem ist der relativ hohe Preis, der sich für einen Rucksack mit Lawinenairbag im Bereich ab 600 CHF bewegt. Dazu kommt das höhere Gewicht – zum Gewicht des Rucksack (je nach Marke/Grösse/Ausstattung ca. 900 bis 3000 g) muss man das Airbag-System hinzurechnen (je nach System ca. 900 bis 1500 g) sowie je nach System das Gewicht der Patrone/Kartusche (je nach Hersteller 280 bis 630 g).

Doppelairbag-System oder Protection Airbag System oder Removeable Airbag System?

Alle Systeme und Bauarten haben ihre Vor- und Nachteile. Doppelairbag-/TwinBag-Systeme stabilisieren den Körper und reduzieren die Sturzturbulenz. In jeder Situation werden das Volumen und die breite Auflagefläche optimal genutzt und der Auftrieb gerade im kritischen Lawinenauslaufbereich erhöht. Zwei separate Verschlussventile sorgen dafür, dass bei Beschädigung einer der beiden TwinBags bei ABS meist ausreichend zusätzliches Volumen bleibt, um eine Totalverschüttung zu verhindern.

Das Protection Airbag System von Mammut bläst sich nicht nur hinter dem Kopf/am Rücken auf, sondern entfaltet sich auch aus den Schultergurten. Das soll Traumata verhindern. Zusätzlich soll es dafür sorgen, dass der Verunfallte in den meisten Fällen mit dem Rücken hangabwärts in sitzender Position, mit dem Kopf an der Schneeoberfläche zu liegen kommt. Zahlen/Statistiken und Quellen zu diesen Angaben liegen aber keine vor.

Wirksam was eine Verschüttung angeht, sind auch Systeme wie die Mono-Airbags von Backcountry Access oder das Removeable Airbag System (RAS) von Mammut. Tests sollen aber gezeigt haben, dass der grosse Airbag hinter und oberhalb des Kopfes dazu führt, dass man oft kopfüber oder mit dem Kopf im Schnee in der Lawinen zum Liegen kommt. Dafür sind diese Systeme aber leichter.

Geht man mit einem Airbag nicht ein höheres Risiko ein?

Das ist möglich. Studien oder Zahlen gibt es dazu aber nicht. Aber Zahlen aus anderen Bereichen zeigen, dass mit mehr Sicherheitsausrüstung oft auch ein grösseres Risiko eingegangen wird. Ein Lawinenairbag ersetzt wie gesagt in keinem Fall die Standard-Sicherheits-Ausrüstung bestehend aus Schaufel, Sonde, LVS-Gerät und auch keine gute Ausbildung. Da sich Lawinen nicht anders verhalten, egal, ob man mit oder ohne Lawinenairbag unterwegs ist, liegt es weiterhin in unserer Hand, unser Verhalten anzupassen.

Umstritten sind durchaus Technologien wie die ABS Wireless Activation – eine funkgesteuerte Fernauslösung der ABS Airbags. Damit kann im Notfall der Airbag des Abfahrenden fern ausgelöst werden (oder sogar der ganzen Gruppe). Das bringt zwar auf der einen Seite mehr Sicherheit, könnte aber auch Wintersportler verleiten, ein höheres Risiko einzugehen. ABS empfiehlt das System für Experten wie Bergführer mit Gruppen oder Profis bei Filmaufnahmen.

Mehr zum Thema Lawinenausbildung erfährst du hier.

Ratgeber Lawinenairbag: Welcher Lawinenairbag-Rucksack ist der Richtige?

Falls du die Anschaffung eines Lawinenairbag-Rucksackes in Betracht ziehst, gibt es mehrere Kaufkriterien, die je nachdem wichtig sind. Grundsätzlich lassen sich die Lawinenairbag-Rucksäcke in 2 Bereiche unterteilen:

  1. Lawinenairbag-Rucksäcke für den Bereich Freeride, Aufstieg mit Lift/Seilbahn, nur Tagestouren, meist im Bereich 5 bis 20 l Volumen
  2. Lawinenairbag-Rucksäcke für die Bereiche Skitour/Snowboardtour/Schneeschuhtour , selbständiger Aufstieg, auch mehrtägige Touren, meist im Bereich 20 bis 60 l Volumen

Daneben spielt auch das Gewicht eine grosse Rolle – die Angaben der Hersteller unterscheiden sich sehr stark, je nachdem, ob das Airbag-System mitgewogen wird und/oder auch die Patrone/Kartusche.

Nicht zuletzt aber spielt der Rucksack selber, mit all seinen Features, Taschen, Tragesystem, Riemen etc. eine grosse Rolle. Es bringt der beste oder schönste oder leichteste Rucksack reichlich wenig, wenn du nicht damit klarkommst. Daher empfehlen wir unbedingt den Rucksack davor beim Fachhändler auszuprobieren. Falls das Gewicht entscheidend ist, dann wiege den Rucksack am besten auch im Fachgeschäft nach. Natürlich spielt auch der Preis eine Rolle. Hier gibt es eine Übersicht über alle Airbag-Rucksäcke am Markt.

Ratgeber Lawinenairbag – Foto: ABS/Sepp Malaun, alle sonstigen Fotos und Abbildungen: ABS

ÜBER DEN AUTOR

Rüdiger Bodmer

Rüdiger Bodmer ist ein erfahrener Wanderleiter und Lawinenexperte. Er führt professionell Touren und leitet im Winter Schneeschuhtouren im In- und Ausland. Als Ausbildner des Swiss Mountain Trainings vom Schweizer Bergführerverband gibt er auch Kurse mit Zertifikat. Im Sommer leitet er Wanderungen, Alpinwanderungen, Wanderreisen und Trekkings. Dabei arbeitet er oft mit den Bergsteigerschulen Berg+Tal und Höhenfieber zusammen. Zusätzlich engagiert er sich ehrenamtlich für den Schweizer Alpen-Club (SAC). Für Rüdiger sind Berge etwas Besonderes. Er fühlt sich mit ihnen verbunden und geniesst es, draussen unterwegs zu sein. Privat ist er oft mit Schnee- und Wanderschuhen unterwegs, aber er unternimmt auch gerne Skitouren, Hochtouren, geht Klettern oder Eisklettern. Als Guide ist es ihm vor allem wichtig, schöne Erlebnisse zu teilen und seine Begeisterung weiterzugeben. Dabei legt er grossen Wert auf Sicherheit und bereitet sich gründlich vor. Er bildet sich kontinuierlich weiter und achtet darauf, dass die Anreise zu seinen Touren möglichst mit öffentlichen Verkehrsmitteln erfolgt und die Natur nicht beeinträchtigt wird. Im Laufe der Jahre hat Rüdiger ein umfangreiches Interesse und Fachwissen im Bereich Ausrüstung entwickelt. Aus diesem Grund hat er ich-liebe-berge.ch gegründet.

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