PIEPS PRO IPS – ein exklusives Interview zum innovativen LVS

In der Welt des Bergsports steht Sicherheit an erster Stelle, besonders im Zusammenhang mit der Lawinengefahr. Das Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS) PIEPS PRO IPS hebt sich durch innovative Technologien, benutzerfreundliche Designmerkmale und eine beeindruckende Suchstreifenbreite von 80 Metern von anderen LVS-Geräten ab.

PIEPS, bekannt für seine qualitativ hochwertigen Produkte und innovativen Ansätze im Bereich der alpinen Sicherheitsausrüstung, hat mit dem PRO IPS einen neuen Standard gesetzt, der in kritischen Momenten Leben retten kann. Tim Kerti, der Marketing Manager von PIEPS, gibt uns tiefe Einblicke in die Entwicklung und Funktionen dieses bahnbrechenden Geräts. Für uns bei ICH LIEBE BERGE war es wichtig, dieses Interview zu führen, da es uns ermöglicht, unsere Leser*innen über die neuesten und vertrauenswürdigsten Geräte auf dem Markt zu informieren, und wir verstehen die Bedeutung, die solche Innovationen für unsere bergsportbegeisterte Community haben.

Interview zum PIEPS PRO IPS mit Tim Kerti, Marketing Manager bei PIEPS

  1. Wie erreicht das PIEPS PRO IPS die beeindruckende Suchstreifenbreite von 80 Metern und welche technologischen Neuerungen liegen dem zugrunde?

Für das PRO IPS haben wir alles, was wir bisher über LVS-Geräte wussten, in Frage gestellt und uns an einen komplett neuen, voll digitalen Aufbau gemacht.
Zu den grossen technologischen Errungenschaften gehört hier ein voll-digitaler Aufbau, das Interference Protection System (IPS) und Dual Antenna Signal Processing.

Der Klappmechanismus der Antenne schützt nicht nur den Einschalt- bzw. Ausschaltknopf bzw. ermöglicht ein besonders leicht verständliches Bedienkonzept (aufgeklappte Antenne = Suchen, eingeklappte Antenne = Senden), sondern bietet auch technologische bzw. physikalische Vorteile, die uns helfen, die hohe Suchperformance zu erzielen.

Die Suchstreifenbreite ist nicht genormt, somit können Hersteller hier nach ihrem eigenen Ermessen Angaben machen. Wir beziehen uns hier auf die „Useful Range“, also die Reichweite, bei der wir auch wirklich bei der schlechtesten Koppellage noch ein Signal erfassen, also quasi der „Worst Case“. Und selbst in diesem Worst-Case-Szenario erzielt das PRO IPS eine Suchstreifenbreite von 80 Metern.

  1. Wie funktioniert das Interference Protection System (IPS) und inwiefern unterscheidet es sich von anderen Systemen zur Störungsminimierung?

IPS überprüft sich selbst. Jeder Sendepuls wird auf seine Leistung gemessen bzw. die einwirkende Störung auf das Signal wird gemessen. Es werden dann mehrere Parameter variiert, um sicherzustellen, dass das maximale Signal mit jedem Puls gesendet wird.

Bisherige Ansätze versuchten den Einfluss von Störungen durch den Wechsel der sendenden Antenne zu minimieren (PIEPS Auto-Antenna Switch). Auch das PRO IPS verfügt on Top über den Auto-Antenna Switch. Im Unterschied zu anderen Ansätzen wirkt unser IPS besonders schnell und effektiv.

  1. Wie geht das Gerät mit der Herausforderung von Geistersignalen um? Wie alle PIEPS Geräte verfügt das PRO IPS über die PIEPS Signal Verifikation.

Viele Hersteller geben schon beim ersten oder zweiten empfangenen Puls eine Anzeige am Display aus. Unsere LVS-Geräte geben erst ein Signal und einen Richtungspfeil am Display aus, wenn wir uns sicher sind, dass es sich um ein LVS-Gerät handelt, das sendet. Das kostet zwar in der Theorie ein wenig Reichweite, in der Praxis kompensieren wir das jedoch durch eine ausgefeilte Konstruktion und erzielen somit dennoch eine hohe Reichweite und stellen sicher, dass unsere Anwender nicht in die Irre geführt werden.

  1. Was sind die Schlüsselmerkmale des Dual Antenna Signal Processing (DASP) und wie trägt es zur Verbesserung der Sucheffizienz bei?

Ein LVS-Gerät empfängt, sofern ein sendendes Gerät in Reichweite ist, etwa jede Sekunde einen Puls bzw. Signal. (1000 ms +/- 300 ms). Um eine Entfernungsanzeige zu generieren, wird zunächst dieser Puls (Dauer sind hier Millisekunden) auf der einen Antenne (X-Antenne) ausgelesen. Bei der Hälfte des Pulses schaltet dann das Gerät um und liest die zweite Hälfte des Pulses auf der anderen Antenne (Y-Antenne) aus, um eine Richtungsanzeige zu generieren. Also wird ein Sendepuls, der nur Millisekunden andauert, durch zwei geteilt.

Mit dem einmaligen Dual Antenna Signal Processing entfällt dieses Umschalten bzw. der Wechsel der Antennen. Somit ist die Empfangsqualität pro Antenne doppelt so gut wie bei Geräten ohne DASP, da beide Antennen das volle Signal empfangen und dieses für die Folgeberechnungen nutzen.

Gerade in kritischen Situationen, wie etwa eine weite Entfernung zum Sender oder viele Störquellen in der Umgebung, macht sich dieser Vorteil bemerkbar. Und auch sonst führt diese technologische Errungenschaft zu einer sehr genauen und präzisen Zielführung, ohne Signalabbrüche.

  1. Was sind die Vorteile des Auto Antenna Switch und wie funktioniert er?

Mit dem Auto-Antenna-Switch wird sichergestellt, dass das LVS-Gerät stets auf der Antenne sendet, die die besten Voraussetzungen zum Senden hat. Unser PRO IPS überprüft stetig, auf welcher Antenne es das beste Sende-Signal erzeugen kann.

  1. Könnt ihr den Auto Search-to-Send-Mechanismus kurz erklären? Kann ich die Zeit bis zum Umschalten selbst bestimmen oder anpassen?

Auto Search-to-Send oder auch Auto-Revert (AR) genannt, wurde für den Fall konzipiert, dass die rettende Person durch eine Nachlawine selbst zum Verschütteten wird. Normwalerweise wäre hier das LVS-Gerät im Suchmodus und sendet nicht.

PIEPS Geräte mit Auto Search-to-Send bemerken, dass der Suchende sich nicht mehr bewegt und beginnen somit mit dem 30-sekündigen Auto-Revert Countdown. Der Countdown ist die Zeit, bis das Gerät in den Sendemodus wechselt, obwohl es sich mechanisch eigentlich im Suchmodus befindet.

Dieser Countdown lässt sich durch ein Schütteln des Geräts abbrechen, sollte es sich hierbei um keine tatsächliche Verschüttung handeln. Die Zeitspanne des „Stillstands“, nachdem das Gerät den AR-Countdown beginnt und in den Sendemodus wechselt, lässt sich in der App auf 30, 60 oder 90 Sekunden einstellen.

  1. Wie funktioniert der Backup-Modus und in welchen Situationen ist er besonders nützlich?

Während der Suche ist es wichtig, dass alle Suchenden nicht senden, sonst wäre es nicht möglich, den Verschütteten zu orten.

Wenn man nun nicht selbst aktiv mit seinem Gerät sucht, aber dennoch nicht senden möchte, da man sonst die (evtl. weitere) Suche stören würde, hat man zwei Optionen: Sein Gerät ausschalten, das wäre allerdings schlecht, da man im Fall einer Nachlawine nicht senden würde oder eben den Backup-Modus zu aktivieren.

Die Aktivierung des Backup-Modus bewirkt, dass das LVS im Sendemodus, solange es in Bewegung ist, nicht sendet, aber „sendebereit“ bleibt. Ähnlich wie beim Auto Search-to-Send erfolgt nach einer in der App konfigurierbaren Zeitspanne (30, 60, 90 Sekunden), in welcher keine Bewegung mehr registriert wird, der Auto-Revert Countdown von 30 Sekunden.

Nach erfolgtem Countdown, der durch Schütteln abgebrochen werden könnte, beginnt das LVS-Gerät wieder automatisch zu senden.

  1. Könnt ihr den Entwicklungsprozess des PIEPS PRO IPS beschreiben, insbesondere die Integration neuer Technologien?

Bei der Produkteentwicklung legt Pieps grossen Wert auf die Praxistauglichkeit und Leistungsfähigkeit seiner Produkte. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitet das Unternehmen seit Jahren intensiv mit Bergführern, Bergrettern, Skilehrern und Wissenschaftlern zusammen.

  1. Welche Herausforderungen beim Design und der Implementierung von IPS und DASP waren besonders komplex?

Das Aufklappdesign bringt zwar Vorteile für die Benutzerführung und Leistung, jedoch war das natürlich mit einigen Herausforderungen in der Konstruktion verbunden. Im ausgeklappten Zustand können hier verstärkt Hebelkräfte wirken und auf Grund des nicht starren Designs musste ein Mechanismus gefunden werden, der auch die Norm bezüglich der Wasserdichtheit erfüllt.

Ebenso musste sichergestellt werden, dass die Antenne nicht aus Versehen einklappt, aber sich auch nicht zu schwer öffnen lässt. Durch die Wahl des entsprechenden Materials (glasfaserverstärkter Kunststoff) sowie ausführliche Tests konnten wir sicherstellen, die optimale Lösung für diese Herausforderungen gefunden zu haben.

  1. Wie habt ihr die Balance zwischen fortgeschrittener Technologie und Benutzerfreundlichkeit im Design des PIEPS PRO IPS erreicht?

Das Klappdesign der Antenne bringt physikalisch bedingt technologische Fortschritte, aber ermöglicht auch eine besonders hohe Benutzerfreundlichkeit des PRO IPS. Uns freut es zu hören, dass wir hiermit das wohl einfachste Umschalten von Senden auf Suchen geschaffen haben.

Jeder Nutzer, der das PRO IPS in die Hand bekommt, versteht ohne eine Hilfestellung das Bedienkonzept der wichtigsten Funktionen. Ausserdem ist in kritischen Situationen, wie der Rettung, sofort ersichtlich, ob noch jemand im Sendemodus (Antenne zugeklappt) ist oder ob er bereits umgeschaltet hat (ausgeklappte Antenne).

  1. Welche Tests und Validierungen habt ihr durchgeführt, um die Zuverlässigkeit des PIEPS PRO IPS sicherzustellen?

Generell gilt für uns die „LVS-Norm“ EN 300718. Auch diese erfüllt das PRO IPS natürlich, sonst wäre es nicht für die Verwendung zugelassen. Im Unterschied zur Norm machen wir unsere Falltests bei einer Umgebungstemperatur von -10 °C, statt Raumtemperatur, also sind wir hier strenger als die Norm. Der Klappmechanismus der Antenne wurde über 10’000-mal geöffnet und geschlossen, ohne dass der Mechanismus einen Schaden genommen hätte.

Danach haben wir den Test abgebrochen, da dies bedeuten würde, man könnte die Antenne 27 Jahre lang, täglich einmal aufklappen und wieder zuklappen. Das sollte selbst für den hartgesottensten Powderenthusiasten ausreichen. Ebenso wurde die Bruchlast der Antenne mittels Bendingtest gemessen, das Gerät wurde untergetaucht (Normtest) und auch auf einen Holzboden mehrere Male aus 1 m Höhe mit der ausgeklappten Antenne fallen gelassen (Normtest).

Darüber hinaus sind wir auch bereits mit einem Auto über das PRO IPS im Sendemodus gefahren. Auch das hat es überstanden und sendete noch immer weiter. Auch wurde neben unseren eigenen Tests am Feld, das PRO IPS bereits im vergangenen Winter von Bergführern als auch Skiführern im Praxiseinsatz getestet.

  1. Könnt ihr auf die Bedeutung und den Einsatz der Scan- und Victim-Selection-Funktionen näher eingehen?

Dieses Feature richtet sich an erfahrene bzw. professionelle Retter: Die Scan Funktion verschafft einen Überblick über die Situation und gibt an, in welchen Bereichen die Verschütteten liegen. Mit der Victim-Selection kann die Rettung bei Mehrfachverschüttungen gezielt die Suchstrategie optimieren bzw. anpassen, denn normalerweise verfolgen LVS-Geräte das stärkste Signal in ihrer Nähe.

Mit der Victim-Selection kann jedoch auch gezielt das zweite oder drittstärkste Signal auswählen und verfolgt werden, damit sich nicht alle auf das gleiche Signal stürzen. Es kann somit parallel und nicht sequenziell gerettet werden.

  1. Wie wird die Batterielebensdauer des Geräts optimiert, insbesondere im Hinblick auf die erweiterten Funktionen?

Dass gewisse Funktionen wie z. B. das Interference Protection System mehr Strom verbrauchen, ist naheliegend und natürlich werden auch hier alle Anforderungen an die Norm erfüllt. Dies gilt insbesondere für die Leistungsaufnahme, Batterielaufzeit und auch Sendestärke. An dieser Stelle sei erwähnt, dass IPS mehr ist, als einfach die Sendeleistung mittels Stromverbrauchs zu erhöhen. Aber wie wir das im Detail lösen, bleibt natürlich unser Geheimnis.

  1. Welche Rolle spielt die Firmware-Aktualisierung und wie funktioniert sie beim PIEPS PRO IPS?

Ungeachtet der Marke und des Models empfehlen wir die Firmware der LVS-Geräte stets auf den aktuellen Stand zu halten, da hier oft wichtige Verbesserungen vorgenommen werden.

Deshalb sollte in regelmässigen Abständen überprüft werden, ob eine neue Firmware erhältlich ist. Alle unsere Geräte seit der „BT“ Reihe, inklusive dem PRO IPS unterstützen Bluetooth. Somit kann ganz einfach mit der PIEPS-App die Firmware aktualisiert, das Gerät mit dem Geräte-Check geprüft und die Einstellungen verwaltet bzw. konfiguriert werden.

Ebenso bietet die App die Möglichkeit die Verschüttetensuche zu trainieren, somit kann hier zum Beispiel ausgewählt werden, welche Antenne senden soll.

Einfache Firmware Aktualisierung (Update) beim PIEPS PRO IPS via Bluetooth und App
  1. Wie sieht eure Vision für die zukünftige Entwicklung von Lawinenrettungsgeräten aus?

Natürlich beschäftigen wir uns schon mit der Entwicklung neuer LVS-Geräte. Doch wir können bereits jetzt verraten, dass das PRO-IPS bauartbedingt die nächsten Jahre die Benchmark am LVS-Markt bleiben wird. Das ist physikalisch durch das Klappdesign der X-Antenne gegeben.

Vielen Dank für das Interview!

Weitere Informationen: PIEPS PRO IPS – das neue LVS-Gerät Winter 2023/2024

Quelle, Fotos: © Pieps, © Harald Tauderer

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