Von 0 auf 4000 – Grundkurs Bergsteigen Fels & Eis Susten

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Das beste Seil und der beste Karabinier nützen nicht viel, wenn diese nicht korrekt verbunden sind. Deshalb möchte ich von Grund auf lernen, wie man Berge besteigt. Von 0 auf 4000.

Es gibt diverse Anbieter, welche in mehrtägigen Kuren Wissen rund ums Bergsteigen vermitteln. Aufgrund von Empfehlungen und eigenen Recherchen wurde ich auf die Alpinschule Berg + Tal aufmerksam. Das Unternehmen verfügt über viele Jahre Erfahrung und kann auf ein Kernteam von Bergführern zurückgreifen, welche das Leben am Berg bis aufs Mark verinnerlicht haben.

Nach langem Lesen und Vergleichen auf der informativen und übersichtlichen Webseite bergundtal.ch treffe ich meine Wahl. Ich entscheide mich für den Grundkurs Bergsteigen Fels & Eis Susten. Die Kombination von Fels und Eis erachte ich als zielführend. Da ich beim Besteigen von 4000ern beides früher oder später antreffen werde. Die Kurse finden jeweils von Montag bis Freitag statt, von Juni bis September. Wenige Tage nach Anmeldung erhalte ich die Buchungsbestätigung via Post. Es liegen eine Programmübersicht sowie eine Packliste bei. Die Vorfreude steigt bereits und ich kann es kaum erwarten meinen Rucksack zu packen und zum Sustenpass zu reisen.

Erster Tag: Der Zustieg zum Wissen

Endlich ist es soweit. Mit dem vollgepackten Rucksack auf dem Rücken und steigeisenfesten Bergschuhen an den Füssen steige in den Zug und freue mich, auf das was mich erwartet. Der Grundkurs Bergsteigen Fels & Eis Susten ist praktischerweise so organisiert, dass eine Anreise mit dem öffentlichen Verkehr möglich ist. Bei Haltestelle beim Sustenbrückli erwartet mich bereits der Bergführer und auch die anderen Teilnehmer sind schnell gefunden. Wir tauschen rasch die Namen aus und schon horchen die sechs Teilnehmer gespannt den ersten Instruktionen des Bergführers. Nach dem das Mietmaterial verteilt, die Sonnencréme eingerieben und die Wanderstöcke ausgefahren sind, geht es los Richtung Sustlihütte. Der Anstieg zur Hütte ist steil und kurz. Nach rund einer Stunde erreichen wir unser zu Hause für die nächsten drei Tage.

Für den Nachmittag ist ein sanfter Einstieg geplant. Wir laufen die rund 20 Minuten bis zum Klettergarten. Dort angekommen legen wir das mitgebrachte Material aus. Für den Nachmittag brauchen wir lediglich die Seile, Klettergurt und Schraubkarabiner sowie Helm und natürlich die Bergschuhe. Am ersten Tag geht es im Grundkurs Bergsteigen Fels & Eis Susten um die Grundlagen. Jeder Teilnehmer muss den Achterknoten legen und stecken können. Anschliessend lernen wir den Mastwurf sowie den Halbmastwurf. Alle drei sind elementar fürs Klettern. Für die ersten Züge am Fels hat der Bergführer die Seile von oben eingehängt (sog. Top-Rope). So können wir, ohne uns um die Sicherheit sorgen zu machen, erste Steigversuche mit den anfangs störenden, steigeisenfesten Bergschuhen machen. Nach den ersten Übungen steigt unser Vertrauen ins Seil und den Schuh. Wir sind am Klettern, das Ziel des ersten Tages ist erfüllt!

Zweiter Tag: der Weg zur Sicherheit

Nach einem gemütlichen Hüttenabend und erholsamen Schlaf ist um 6:30 Uhr Tagwache angesagt. Wir treffen uns zum Frühstück und stehen kurz darauf bepackt vor der Hütte, bereit zum Abmarsch. Wieder gehen wir zum Fels. Heute lernen wir im Grundkurs Bergsteigen Fels & Eis Susten die Handhabung mit dem Seil besser kennen. Wir lernen im Vorstieg zu klettern, einen Stand einzurichten, das Seil umzufädeln, den Partner im Nachstieg zu sichern und das Abseilen.

Obwohl die Instruktionen anfangs überfordern und wir ob dem Gewirr von Seil, Karabinern und Schlingen manchmal den Überblick verlieren, gewinnen wir an Sicherheit. Bald ist klar worauf es ankommt und jede Wiederholung bringt neue Erkenntnisse.

Trotz einiger Schrammen und kleinen Rückschläge werden die Teilnehmer des Kletterns nicht müde. Nach der Generalprobe, das selbstständige Abseilen, machen wir uns auf den Weg und kehren zur Sustlihütte zurück. Vor dem Abendessen geht es wieder um Sicherheit. Wir lernen die Friends und Klemmkeile kennen. Beide sind sehr praktische Ergänzungen zu den im alpinen Bereich oft spärlichen Bohrhaken. Anschliessend lernen wir noch die Seile zu verkürzen. Dies brauchen wir für die morgige Tour. Der Kanzlgrat ist unsere erste Bühne, wo wir das erlernte Vorführen können. Unsicher, ob unser Wissen für die morgige Tour genügt, schlafen wir im Schutz der Hütte ein.

Dritter Tag: Die Tour zur Routine

Der Kanzelgrat. Seit zwei Tagen schauen wir zu ihm hoch und fragen uns: ist das für uns machbar? Am Abend des dritten Tages des Grundkurses Bergsteigen Fels & Eis Susten werden wir es wissen.

Zuerst geht es darum, zum Einstieg zu gelangen. Nach rund einer Stunde Fussmarsch stehen wir um 08:00 Uhr im Sattel, von wo die Tour startet. Der Blick auf die andere Seite des Grates scheint mir wie das Tor zu einer anderen Welt. Das Tal auf der entgegengesetzten Seite des Sattels wirkt gänzlich unzivilisiert. Vom Talboden steigen Wolken empor die, die Magie der Aussicht noch verstärkt.

Es geht los! Die drei Seilschaften sind bereit. Der Bergführer kontrolliert die Knoten und ist, bis auf kleine Korrekturen, zufrieden und blickt mit Zuversicht auf die bevorstehende Tour. Diese Zuversicht teilen nicht alle Teilnehmer. Aber das Vertrauen auf des Führers Einschätzung lässt die Unsicherheit weichen.

Die erste Seilschaft beginnt zu steigen. Ein stetiger Wechsel zwischen Sichern und Gesichertwerden folgt. Einmal sucht man einen festen Stand, das andere Mal wartet man bis das Kommando „Nachkommen“ erklingt. Die körperliche Anstregung ist moderat. Intensiver nehme ich den Kraftverbrauch war, welcher die Konzentration absorbiert. Bereitschaft und Aufmerksamkeit lassen keine Entspannung zu. Nachsteigen, Vorsteigen, Sichern. Eine sich wiederholende Reihenfolge im Grundkurs Bergsteigen Fels & Eis Susten die uns bis zum Mittag begleitet.

Nicht zu vergessen die imposante Aussicht. Links und rechts blicken wir über eine steile Flanke ins weit unter uns liegende Tal. Auf Augenhöhe erheben sich noch höhere Gipfel. Deren Anblick verführt zum Träumen. Kann man diese Berge besteigen? Kann ich eines Tages dort oben stehen?

Wir kommen gut voran. Zwar langsam aber, umso wichtiger, sicher. Auf der höchsten Erhebung des Kanzelgrates ist es höchste Zeit für eine Mittagspause. Die Teilnehmer sind zufrieden und geniessen den verdienten Ausblick. Die Sonne lacht und bietet zusammen mit den herumstreunenden Wolken ein Schauspiel, welches der Leistungen der Gruppe würdig ist.

Nach der Rast ist noch lange kein Feierabend in Sicht. Wer oben ist, muss auch wieder runter. Das Abseilen beginnt. Falls doch noch etwas fehlen sollte, überwacht der Bergführer die Vorbereitungen eines Jeden. Sitzt der Prusik fest? Ist das Abseilgerät richtig installiert? Erst dann kann die Selbstsicherung gelöst werden. So schwebt einer nach dem anderen die Felswand herab. Eine kurze Traverse zum nächsten Abseilstand und das Prozedere wiederholt sich. Um 15:30 Uhr sind befindet sich dich gesamte Gruppe wieder auf festem Grund. Die Klettertour war ein Erfolg und gehört zu den Höhenpunkten des Kurses. Zufrieden schreiten wir nach einer Pause zurück zur Sustlihütte, wo das Abendessen auf unsere hungrigen Mägen wartet.

Vierter Tag: Die Querung in ein anderes Feld

Am vierten Tag des Grundkurses Bergsteigen Fels & Eis Susten verlassen wir das Heim, welches die letzte drei Nächte unser zu Hause war. Es geht weiter in die Tierbergli-Hütte, welche mit 2795 m.ü.M bereits eine beachtliche Höhe aufweisst. Wir hoffen in der zweiten Unterkunft ebenso gute Verpflegung und ruhige Nächte vorzufinden, wie in der ersten.

Als meine Augen den Gletscher, welcher Steingletscher genannt wird, das erste Mal erblicken, machen sich Spannung, Vorfreude und ein wenig Ehrfurcht in mir breit. Spannung darauf wie das Gehen auf dem Gletscher sich anfühlt. Vorfreude auf das Tragen der Steigeisen. Die Erfurcht gebührt der Geltscher selbst. Die Kräfte die in und um ihn wirken, die schiere Grösse und das Alter muten zur Demut an. Im Wissen, dass dies keine der schweren Touren ist, schöpfe ich Mut und freue mich meine erste Gletscherbegehung.

Die Parkplätze sind bald besetzt und das Material gepackt. Es geht los. Nach kurzem Zustieg liegt das Eis vor unseren Füssen. Auch das Gehen mit Steigeisen will gelernt sein. Breitbeinig, aufrecht und immer mit allen Zacken im Eis. Einer nach dem anderen setzt seinen Fuss auf das Eis. Es knirscht, gibt dem Druck unserer Körper nach, sodass die Steigeisen halt finden. Abwechselnd setzte ich einen Fuss vor den anderen.

Bei einem grossen Stein, geschätzt in der Mitte des Gletschers, deponieren wir unsere Rucksäcke. Nun lernen wir uns auf dem Gletscher zu sichern, falls einer aus der Seilschaft in eine Gletscherspalte fallen sollte. In dem Fall gilt es als erstes die Last vom eigenen Körper auf einen Fix-Punkt zu übertragen. Dies gelingt mit einer Eischraube. Entweder verwendet man diese direkt als Sicherung oder man bohrt sich eine Sanduhr, durch welche eine Reepschnur gezogen wird. Dies klingt komplizierter als es ist. Nun da die Verankerung eingerichtet ist, lasse ich es mir nicht entgehen diese auch zu Testen. Ich verbinde die ins Eis eingefügte Reepschnur mit Karabiner und Schlinge mit meinen Klettergurt und lehne mich zurück. Anfangs etwas zögerlich, dann mit vollem Gewicht. Die Sanduhr hält und ich bin fasziniert ob der Kraft dieser knapp 10 cm dicken Eisschicht. Sie gibt keinen Millimeter nach.

An einer weiteren Station geht es ums Anseilen auf dem Gletscher. Weitere Knoten und vieles das man zu beachten hat, kommt hinzu. Wir lernen, wie die Mitglieder einer Seilschaft anzuseilen sind und welche Knoten als Zwischensicherung dienen. Von nun an ist der Gletscher auch nicht mehr flach. Es geht aufwärts, 40 Grad Steigung um genau zu sein. An dieser Stelle zeigt uns der Bergführer die verschiedenen Techniken mit welchen man den Aufstieg sicher und kraftsparend bewältigt. Der Weg zur Hütte ist noch weit, was uns ermöglicht, das Gehen am Seil und auf den Steigeisen weiter zu üben.

Vor dem Abendessen gehen wir nochmals raus auf den Gletscher. Diesmal lernen wir das Bauen einer Verankerung im Schnee. Wir vergraben unsere Eispickel im Schnee, daran befestigt findet sich eine Schlinge mit Karabiner. Abermals testen wir die Sicherung. Es ziehen fünf Kursteilnehmer so fest sie können am befestigten Seil. Der Eispickel macht keinen Wank. Unser selbstgebauter Notanker hält, tadellos.

Auch das Verhalten bei einem evtl. Abrutschen an einer steilen Stelle lernen wir. Egal ob auf dem Bauch oder Rücken, mit den Füssen nach vorne oder nach hinten – am Ende will man, um den Sturz zu bremsen, auf dem Bauch liegend, die Füsse nach unten zeigend und auf dem Eispickel gestützt sein. Dies üben wir nun in allen Varianten. So anstrengend das Hochlaufen ist, so viel Spass macht das Abrutschen.

Fünfter Tag: Die Abschlussprüfung

Einer der Grundsätze im Bergsteigen lautet: Je früher je besser. Dies gilt in Bezug auf Wetterveränderungen, Steinschlag, Schneestabilität und es ist schlicht angenehmer zu laufen. Hinzu kommt, die Morgendämmerung ist täglich ein Spektakel. Zu beobachten wie der Tag erwacht stärkt Körper und Geist.

So hören wir unseren Wecker an diesem Morgen bereits vor 4.30 Uhr. Nachdem einfachen aber nahrhaftem Frühstück nehmen wir den vorbereiteten Rucksack vor die Hütte, montieren die Steigeisen und seilen uns gleich zu zwei Seilschaften an. Das erste Stück über den Gletscher gehen wir in dieselbe Richtung aus der wir herkamen. Diesmal geht es aber nicht Richtung Tal sondern hoch zum Gipfel. Seit der Tourenplanung des gestrigen Abends, ist bereits klar, dass nach einer knappen Stunde ein steiler Aufstieg auf uns wartet. Den Höhenunterschied zu überwinden fällt uns leicht, da uns die kraftsparende Steigtechnik nun bekannt ist. Einem einzelnen, imposanten Eiseinbruch begegnen wir, welchen wir selbstverständlich weiträumig umgehen. Abgesehen, von einer kleinen Rast, steigen wir langsam aber stetig in Richtung Gipfel des Sustenhorns. Schritt für Schnitt, Ein- und Ausatmen, die Distanz verringert mit demselben Verhältnis wie die Zeit vergeht. Und die Zeit vergeht schnell hier oben, so früh am Morgen. Die Kulisse, der in die ersten Sonnenstrahlen getauchten Berggipfel und der kalte, scheinbar leblose Gletscher, ist atemberaubend. Da wir in angemessener Distanz zueinander gehen und es keinen Anlass gibt die Stimme zu erheben, gehört auch die Stille zu dieser faszinierender Atmosphäre.

Etwas schneller als geplant erreichen wir kurz vor 08:00 Uhr den Gipfel. Wir sind nicht die erste und nicht die letzte Gruppe. Aber für unsere Gruppe ist es das erste Mal und wir freuen uns riesig. Nach gegenseitigem Gratulieren und dem obligaten Gruppenfoto, machen wir die verdiente Pause. Während wir die wunderschöne Aussicht geniessen, welche dank strahlend blauem Himmel ungetrübt ist, verewigen wir unseren Besuch im Gipfelbuch. Danach bleibt uns nur noch der Abstieg. Welcher bekanntlich, der wichtigste Teil einer jeder Tour ist. Erst wer wieder sicher in der Hütte bzw. im Tal ist, kann eine erfolgreiche Besteigung vorweisen. Dies Gelang uns allen. In dieser Woche haben wir das notwendige Wissen gelernt und angewendet. Zudem waren wir stets von einem gewissenhaften Bergführer betreut.

Dieser letzte Tag war der krönende Abschluss einer erlebnisreichen Woche, die uns allen noch lange in Erinnerung bleibt. Strapazen und Unsicherheit sind vergessen, es bleibt die Freude an den Bergen und das Wissen, wie man sich darin bewegt.

Mein nächster Schritt hin zum ersten 4000er ist es nun meine Ausrüstung aufzustocken. Mehr dazu im nächsten Beitrag.

ÜBER DEN AUTOR

Claudio Föhn

Claudio Föhn testet Ausrüstung für ich-liebe-berge.ch – Claudio ist mitten in den Bündner Bergen aufgewachsen und weis daher die Vorzüge zuverlässiger Ausrüstung zu schätzen. Da er sich selten etwas anschafft ohne sich gründlich über Alternativen zu informieren, liebt es das Recherchieren, Begutachten und Testen. Claudio's Spezialgebiet ist das Weitwandern. Auch an Kletterwänden setzt er seine Ausrüstung gerne ein. Hin und wieder trifft man ihn auch auf einem Gletscher.

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