Daniel Anker Matterhorn – Berg der Berge Buchrezension

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Daniel Anker Matterhorn – Berg der Berge Buchrezension
6.5 / 10 Bewertung
PRO
  • interessante, vielseitige und anregende Annäherung an den Berg und das Phänomen Matterhorn
CONTRA
  • zuweilen etwas zu viel des Guten in Sachen Bildmaterial
Testurteil
Matterhorn – Berg der Berge ist ein interessantes Buch – in der eine Fülle von Themen und Bildern zuweilen etwas überbordend, aber in Etappen erschlossen sicher auch nach dem 150-Jahre-Erstbesteigung-Jubiläumsjahr eine lohnende und lehrreiche Lektüre, die in produktiver Weise den Berg der Berge soweit entzaubert, dass man ihn vielleicht wieder besser als Berg wahrnehmen kann.
Struktur/Aufbau7.5
Preis-Leistung5.5
sprachlicher Stil7
Qualität7
Umwelt/Nachhaltigkeit5.5

Fakten

Matterhorn – Berg der Berge, von Daniel Anker, Zürich: AS Verlag, ISBN 978-3-906055-30-5

Das sagt der Verlag:

Vor 150 Jahren standen sieben Männer zuoberst auf dem umworbenen Matterhorn: die Briten Edward Whymper, Francis Douglas, Douglas Robert Hadow und Charles Hudson sowie die Bergführer Michel-Auguste Croz aus Chamonix, Peter Taugwalder Vater und Sohn aus Zermatt.

Über den brüchigen Hörnligrat waren sie von Zermatt aus aufgestiegen, stundenlang hoffend, dass die Besteigung dieses gewaltigen Obelisken auf dem schweizerisch-italienischen Grenzkamm gelingen möge. Buchstäblich das Nachsehen hatte an diesem besonderen 14. Juli der Italiener Jean-Antoine Carrel, einst Führer und Seilgefährte von Whymper: Er sah seinen Rivalen auf dem Gipfel des Matterhorns (4478 m) stehen. Aber drei Tage später erreichte auch er, zusammen mit Jean-Baptiste Bich, von Breuil aus über den Liongrat den Cervino. Da war die Katastrophe schon passiert, die den Berg schlagartig weltbekannt machte. Hadow, der seinen ersten Bergsommer mit dem Matterhorn krönen wollte, rutschte beim Abstieg aus, fiel auf Croz und verwandelte so den Triumph schlagartig in eine Tragödie. Zum Glück aber war zwischen Taugwalder Vater und Douglas ein schwaches Seil eingebunden, sonst wären wohl alle sieben Erstbesteiger des Matterhorns abgestürzt. Nachmittags um drei Uhr: der folgenreichste Augenblick in der Geschichte des Matterhorns – und des Alpinismus überhaupt.

Der erste Abstieg vom Matterhorn mit vier Toten sorgte für viel mehr Schlagzeilen als der erste Aufstieg. Die Londoner «Times» stellte die Frage: «Ist Bergsteigen nicht kriminell?» Den Hoteliers konnte die Frage nur recht sein, denn nun kamen die Touristen, um diesen Schicksalsberg aus der Nähe zu sehen. Zermatt und Breuil Cervinia wurden zu sehr bekannten Fremdenverkehrsorten der Schweiz bzw. Italiens. Der Gipfel selbst wird heute während einer Sommersaison von 1000 bis 1500 Menschen erklommen. Zugleich erfuhr das Matterhorn eine weltweite Vermarktung: Es ist zum Werbeträger für alles Mögliche und Unmögliche aufgestiegen.

  • 336 Seiten
  • 510 Abb.
  • vierfarbig
  • 17 x 24 cm
  • Hardcover mit Schutzumschlag

Rezension Matterhorn – Berg der Berge

 

Es stand zu erwarten, dass im Jubiläumsjahr der Erstbesteigung des Matterhorns an neuen Publikationen zum Thema kein Mangel herrschen wird. Auch Daniel Anker, Autor zahlreicher anderer “Bergmonografien”, hat sich diesmal an das Schweizer Wahrzeichen gewagt und nimmt in dem von ihm herausgegebenen Band “Matterhorn – Berg der Berge” gleichermassen den Berg und den Mythos Matterhorn vor – und zwar wörtlich wie übertragen von allen Seiten: Geschichte(n) um die Erstbesteigung mit Portraits der Protagonisten – gleich zum Einstieg wird natürlich auch die jubiläumsstifende Whymper-Kontroverse behandelt – finden sich genauso wie alpinistische Portraits von Graten und Wänden in unterschiedlichen – alpinistischen, historischen, kultur– und auch naturwissenschaftlichen – Hinsichten. Dazu gehört auch eine Auseinandersetzung mit den “Matterhörnern” – jenen Abbildern, Zitaten und Erscheinungsverwandten des “Originals”, die man in der Welt so finden kann. Und es wird in die Zukunft dieses gleichermassen eindrucksvollen wie lukrativen Bergs geblickt – und zwar mit Fokus auf die Prognosen zu dessen geologischer Entwicklung und den erwartbaren Veränderungen der imposant-bekannten Gestalt angesichts des erderwärmungsbedingt nachlassenden Permafrosts und der damit verbundenen Destabilisierung des Formkörpers. Schliesslich folgt noch der umfangreicher Anhang, der neben einer detaillierten Chronik und reichhaltigen Literaturverweisen auch Routenvorschläge zur realen Annäherung an den Berg umfasst.

Anker hat ein siebzehnköpfiges, buntgemischtes Autorinnenteam an der Seite, das diese Vielfalt an Themen und Zugängen aus jeweils professionell-kompetenter Warte angeht. Immer wieder werden auch historische Texte von Zeitzeugen unterschiedlicher Epochen eingebaut. Anders als manches Jubelbuch oder Ehrfurchtszeugnis, das zum Topos Matterhorn in Buchform erschienen ist, bietet “Matterhorn – Berg der Berge” daher wirklich substantielle Informationen und Tiefgang auf der Höhe des jeweils verhandelten Sujets. Erwähnenswert ist dabei nicht zuletzt das zusammengetragene Bildmaterial, welches neben klassischen Bergaufnahmen eine sehr grosse Bandbreite von visuellen Zeugnissen der Auseinandersetzung mit dem Matterhorn versammelt – wobei historische Darstellungen, Kartenmaterial, künstlerische Zugänge genauso wenig fehlen wie die Motivverwendung in der Werbung oder dem Design. Die das Buch durchziehende Bildstrecke aus der Jetztzeit – eher klassische Bergfotografie – wird durch dabei fast zur Nebensache und wirkt allzu bekannt in ihrer Motivstrategie.

Wenn man zuweilen das Gefühl hat, hinter dieser hochdiversen Material- und Bilderlawine etwas die Orientierung zu verlieren ist das wohl nur bedingt der Orchestrierung und Struktur (wie auch der Layoutiertung) des Buchs geschuldet: was nämlich nachgerade lesend erfahrbar wird ist die schier überbordende Präsenz und Bedeutung des Phänomens Matterhorn für unterschiedlichste Empfängerhorizonte und das “Bild vom Berg” im Allgemeinen – und das nicht erst in Zeiten sein Inszenierung und Stilisierung als Berg der Berge in den letzten 150 Jahren.

Zusammengefasst: Matterhorn – Berg der Berge ist ein interessantes Buch, in der Fülle von Themen und Bildern zuweilen etwas überbordend, aber in Etappen erschlossen sicher auch nach dem Jubiläumsjahr eine lohnende und lehrreiche Lektüre, die in produktiver Weise den Berg der Berge soweit entzaubert, dass man ihn vielleicht wieder besser als Berg wahrnehmen kann.

Preis

Das Buch Matterhorn – Berg der Berge kostet CHF 59.90 bzw. EUR 54.90.

Links

Verlag AS Verlag

Auskunft beim Verlag

ÜBER DEN AUTOR

Jens Badura

Jens Badura testet Ausrüstung für ich-liebe-berge.ch – und schreibt dort wie anderswo regelmässig über alpine Belange diverser Art. Er ist Mitglied der Österreichischen Bergrettung (Ortsstelle Salzburg), Tourenleiter für Berg- und Alpinwandern beim Schweizer Alpenclub (SAC) und Bergwanderführeranwärter beim Verband Deutscher Berg- und Skiführer/Union of International Mountain Leader Association (UIMLA). Er leitet das berg_kulturbüro in Berchtesgaden, führt für die Bergsteigerschule Watzmann und ist Mitglied im Kernteam der Bergwanderakademie „ready to go“ der Bergschule „Alpine Welten“. Er lebt mit seiner Familie und einer Herde Alpiner Steinschafe am Walserlehen in Marktschellenberg.

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