Ungünstige Tourenverhältnisse

Lawinenbulletin13Jan2016_3

Vor derzeit sehr ungünstigen Tourenbedingungen sei gewarnt! So heikel war es schon lange nicht mehr. Für grosse Teile der Schweizer Alpen wurde für heute Gefahrenstufe 4, für andere Gefahrenstufe 3 ausgegeben.

Jetzt ist er endlich da, der Schnee. Und dann das? In den Gebieten derGefahrenstufe 4 meldet das SLF gleich drei Hauptprobleme: Neuschnee, Triebschnee und Altschnee.

Als Neuschnee gilt die in den letzten (ca. 3) Tagen gefallene Schneemenge. Wir erinnern uns – bei ungünstigen Bedingungen (starker/stürmischer Wind + Schneefall auf eine ungünstige Unterlage) braucht es nur 10 bis 20 Zentimeter und schwuppdiwupp ist die Neuschneemenge kritisch. Gar nicht gut. Damit ist die Gefahr mindestens Gefahrenstufe 3 erheblich.

Dazu kommt dann noch der Wind, der auch noch stark bis stürmisch bläst. Dadurch entstanden während der letzten Tage Triebschneeansammlungen und es entstehen weiter neue. Gar nicht gut. Man könnte sagen, diese Ansammlungen warten nur darauf, als Lawine ausgelöst werden. Diese Lawinen können dann durchaus ein grosses Ausmass annehmen, da die Triebschneeansammlungen gross und verbreitet sind. Der Triebschnee alleine würde vielerorts schon für eine Gefahrenstufe 3 erheblich ausreichen.

Triebschneeansammlungen? Wind kann Schnee verfrachten – «Wind ist Baumeister der Lawinen». Der im Windschatten (Lee) abgelagerte Schnee heisst Triebschnee. Dabei werden die Schneekristalle in kleine, scharfkantige Bruchstücke zertrümmert. Diese sind zu Beginn nur ungenügend mit dem Altschnee verbunden und anfällig für Störungen. Da Triebschneeansammlungen in der Mitte oft relativ dick sind, aber zum Rand hin auslaufen, sind sie vor allem in den dünnen Randzonen leichter auszulösen.

Aber damit nicht genug. Dann haben wir auch noch das Altschneeproblem. Das fängt ganz unten an. Der erste Schnee fiel vielerorts im Oktober. Darauf folgte lange kein oder sehr wenig Schnee. Dazu gabs milde Temperaturen. Das bischen was lag, veränderte sich im Laufe der Zeit. Das Lawinenbulletin schreibt von: «… einer stark aufbauend umgewandelten, lockeren und teils von Oberflächenreif bedeckten Schneeoberfläche.» Stark aufbauend hört sich eigentlich gut an, meint aber nicht stark im Sinne von stabil, sondern im Sinne von besonders. Aufbauend umgewandelt heisst: die Schneekristalle wurden erst kleiner und runder und wuchsen danach zu kantigen bis becherförmigen, schlecht miteinander verbundenen Kristallformen heran. Schwimmschnee bzw. kohäsionsloser Schnee ist die Folge. Diese kantig aufgebauten und lockeren Schichten sind die ideale Schwachschicht. Gar nicht gut.

Als wäre das nicht schon genug, mischt sich auch noch Oberflächenreif mit rein. Klingt schön, ist aber auch gar nicht gut als Unterlage. Bei klarem Himmel strahlt die Schneeoberfläche nachts (in Schattenlagen auch tagsüber) Wärme ab und kühlt dabei aus. Bei genügend Luftfeuchtigkeit gefriert diese an der Schneeoberfläche zu Oberflächenreif.

Diese Unterlage (aufbauend umgewandelt + Oberflächenreif) bildete vielerorts die Schneeoberfläche vor den letzten Neuschneefällen und ist eine Schwachschicht wie sie im Buche steht. Der Mist ist, dass es vermutlich lange Zeit, an manchen Orten vielleicht den ganzen Winter, ungünstig bleiben wird.

Die Situation würde sich am ehesten mit einem massiven Neuschneefall verbessern – dann wäre es kurzfristig gefährlich, aber später meist sicherer. Dann wären die Schwachschichten weiter unten und eine mächtige Neuschneeschicht wäre homogen/ähnlich im Aufbau, was beides günstig wäre. Passiert das nicht und es folgen weiter dünne, unterschiedliche Schichten, sind zum einen die bestehenden Schwachschichten nicht ausreichend überdeckt und zum anderen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass bei den neuen wieder eine auslösbare Schwachschicht dabei ist.

Ständig befahrene Hänge sind derzeit keine Lösung, denn bei stark aufgebautem Schnee ist der positive Einfluss von vielen Spuren eher gering.

Damit es zu keinen Missverständnissen kommt: bei Gefahrenstufe 4 gross (ab 2200 m) Verzicht auf Touren! Und die derzeitige hohe Gefahrenstufe 3 erheblich (ab 1800 m) erfordert Erfahrung in der Beurteilung der Lawinengefahr und eine sehr grosse Portion Vorsicht.

Baut keinen Scheiss.

Über Kommentare freue ich mich – wie schätzt Du die derzeitige Situation ein?

Lawinenbulletin13Jan2016_3

Quelle Bild: Lawinenbulletin für Mittwoch, 13. Januar 2016 WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF

ÜBER DEN AUTOR

Rüdiger Bodmer

Rüdiger Bodmer ist ein erfahrener Wanderleiter und Lawinenexperte. Er führt professionell Touren und leitet im Winter Schneeschuhtouren im In- und Ausland. Als Ausbildner des Swiss Mountain Trainings vom Schweizer Bergführerverband gibt er auch Kurse mit Zertifikat. Im Sommer leitet er Wanderungen, Alpinwanderungen, Wanderreisen und Trekkings. Dabei arbeitet er oft mit den Bergsteigerschulen Berg+Tal und Höhenfieber zusammen. Zusätzlich engagiert er sich ehrenamtlich für den Schweizer Alpen-Club (SAC). Für Rüdiger sind Berge etwas Besonderes. Er fühlt sich mit ihnen verbunden und geniesst es, draussen unterwegs zu sein. Privat ist er oft mit Schnee- und Wanderschuhen unterwegs, aber er unternimmt auch gerne Skitouren, Hochtouren, geht Klettern oder Eisklettern. Als Guide ist es ihm vor allem wichtig, schöne Erlebnisse zu teilen und seine Begeisterung weiterzugeben. Dabei legt er grossen Wert auf Sicherheit und bereitet sich gründlich vor. Er bildet sich kontinuierlich weiter und achtet darauf, dass die Anreise zu seinen Touren möglichst mit öffentlichen Verkehrsmitteln erfolgt und die Natur nicht beeinträchtigt wird. Im Laufe der Jahre hat Rüdiger ein umfangreiches Interesse und Fachwissen im Bereich Ausrüstung entwickelt. Aus diesem Grund hat er ich-liebe-berge.ch gegründet.

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