Ratgeber Lawinenschaufel
Die Lawinenschaufel gehört bei jeder Wintertour abseits mit zur elementaren Sicherheitsausrüstung. Im besten Fall braucht man sie nie, die Lawinenschaufel. Oder nur, um das Auto auszugraben. Gemacht ist sie aber für den Ernstfall einer Lawinenverschüttung, um jemand auszugraben.
Dann muss es schnell gehen – die Schaufel muss sich schnell zusammensetzen lassen und man muss mit ihr effizient Schaufeln können. Und das alles muss auch mit Handschuhen funktionieren. Geschaufelt wird heute am bestem mit dem “V-förmigen Schaufelförderband”. Wie das genau funktioniert, trainiert man am besten, z.B. in einem Lawinenkurs.
Jede Lawinenschaufel besteht aus Schaufelblatt, Stiel und Griff.
Stiel Lawinenschaufel
Bewährt hat sich ein ovaler Stiel. Hier kann man den Stiel einfach ausziehen und muss dank der Führung nicht lange den Punkt suchen, an dem der Senkknopf einrastet. Bei runden Stielen sucht man oft.
Sehr bewährt hat sich z.B. der Stiel von Mammut. Er hat eine dreieckige Grundform, ist aber abgerundet und eignet sich ideal zum Zupacken.
Oftmals ist der Stiel mit einer rutschfesten Beschichtung oder Aufklebern versehen. Das ist gut, aber nicht so entscheidend wie beispielsweise die Form.

Der Stiel ist bei vielen Modellen teleskopartig verlängerbar. Mit einem längeren Stiel kann man effizienter graben. Das Verhältnis von Länge zur Grösse des Schaufelblattes sollte aber passen.
Geschaufelt haben wir in all unseren Tests immer mit der richtigen Schaufeltechnik. Dabei werden Schneeblöcke abgestochen und nicht “rausgehebelt”. Wer nicht richtig schaufelt, zerstört sonst schnell viele Schaufeln.
Schaufelblatt
Vom Schaufelblatt hängt ab, wie leicht Du in den Schnee eindringen kannst und wie viel Schnee Du damit befördern kannst. Generell kann man sagen: Je weicher der Schnee, desto grösser sollte das Schaufelblatt sein. Da eine Schaufel aber für alle Schneearten funktionieren muss, bringt das wenig. (Grundsätzlich ist der Schnee einer frischen Lawinen übrigens nicht “hart wie Beton”, sondern meist mittelhart. Der Schnee einer Lawine verbindet sich oftmals erst nach einiger Zeit fest miteinander. Alte Lawinen mögen aus sehr hartem Schnee bestehen, frische aber nicht.)
Die Grösse und Länge der Schaufel sollte zur Person passen, die später damit schaufelt. In allen Schaufeltests haben wir festgestellt, dass z.B. grosse Schaufeln wie die Ortovox Kodiak oder G3 AviTECH extrem effizient sind, aber für zierlichere oder kleinere Personen einfach zu gross sind. Sie arbeiten bei schwerem Schnee deutlich besser mit einer kleineren Schaufel. Vollgeladen mit Schnee wird ihnen nämlich eine Schaufel mit grossem Schaufelblatt schlichtweg zu schwer. Überleg dir also, wie kräftig du bist und wähle die Grösse der Schaufel dementsprechend aus.
Bei allen Schaufeln, die wir getestet haben, geben wir die Grösse des Schaufelblattes an. Es gibt auch Tests, die das Volumen in Litern angeben – hierbei wird (wie beim Kochen der gestrichene Esslöffel) der Wert einer “gestrichenen” Schaufel angegeben. Die Höhe der Ränder (seitlich und hinten) Randes wird hier aber zu stark gewichtet. Man schaufelt eben nie mit einer gestrichenen Schaufel, sondern lädt mehr auf. Daher verzichten wir auf diese Angabe, da sie so nichts bringt. Fest steht, ein ordentlicher Rand an den Seiten ist hilfreich.
Zum Schaufeln selber aber ist ein mässig angewinkeltes Schaufelblatt gut. Keiner oder ein zu flacher Winkel ist zwar gut zum Einstechen, aber beim Schaufeln weniger effizient. Ist die Schaufel zu stark gekrümmt, kann man nicht auf das Blatt eintreten und nicht so gut einstechen.
Ob eine Schaufel eine geschärfte Kante hat oder nicht, hatte bei den Tests keine nennenswerten Auswirkungen oder Unterschiede gemacht. Zu scharf sollte sie eher nicht sein, sonst zerstört das den Rucksack.
Wohl aber hat die Form der Kante einen geringen Einfluss – eine gerade und wellenförmige haben sich bewährt. Leicht abgerundet ist die Schaufel leicht instabiler. Am wenigsten bewährt hat sich die dreieckige Form (wie bei vielen Spaten).

Wichtig ist bei der Form des Schaufelblattes sehr wohl der obere/hintere Rand oder sog. Trittrand. Mit dem Schuh kannst du so die Schaufel viel fester in den Schnee drücken bzw. treten – vergleichbar mit der Arbeit im Garten mit einem Spaten.


Es gibt Modelle (z.B. Arva, Stubai, Ortovox etc.), bei denen man die Schaufel zur Hacke umfunktionieren. Dabei wird das Schaufelblatt um 90 Grad gedreht. Eine Hacke ist bei der Lawinenrettung nicht von Nutzen, vielmehr aber beim Iglubau zum Ausstechen von Schneeblöcken.

Einige Schaufelblätter haben Löcher oder Aussparungen im Blatt. Damit können sie entweder als Schneeanker oder auch zum Bau eines Rettungsschlittens verwendet werden (der K2 Shovel Rescue Plus oder BCA RS Plus EXT Lawinenschaufel liegt gar ein Schraubenset zum Bau bei).

Griff Lawinenschaufel
Die meisten Hersteller setzen auf T-Griffe. Sie sind einfach, handlich und platzsparend. Manche sind geriffelt, manche rund, viele nennen ihren Griff “ergonomisch”.
Egal in welcher Form ist ein T-Griff aber nie so gut zu handhaben wie ein D-Griff. Ein D-Griff hat keinen störenden Stielansatz zwischen den Fingern und ermöglicht eine optimale Kraftübertragung.
Neben D- und T-Griffen gibt es auch Modelle mit sog. L-Griff, z.B. Arva. Hierbei stört zwar kein Stielansatz zwischen den Fingern, angenehmer aber bleibt der D-Griff.
Speziell ist noch die Griffschlaufe bei Stubai. Sie bietet auch einen sehr guten Halt.



Material Lawinenschaufel
Früher waren viele Schaufeln aus Kunststoff, z.B. aus Lexan. Kunststoff bleibt aber knick- und bruchanfälliger im Vergleich zu Metall. Auch “federt” eine Kunststoffschaufel bei hartem Schnee oft zurück.
Heute bestehen nahezu alle Lawinenschaufeln aus Aluminium. Das ermöglicht ein mässiges Gewicht bei hoher Festigkeit. Als bruchsicher erwiesen sich in Tests Blätter aus Aluminium 6061 und T6-behandelte, hitzegehärtete Blätter.
Neben Aluminium kommt heute noch Carbon zum Einsatz. Solche Schaufeln sind aber vor allem für den Renneinsatz gedacht. Bei Rennen ist die Mitnahme einer Schaufel Pflicht.

Die Schaufeln sind alle beschichtet, damit kein Schnee hängen bleibt. Entweder sind sie eloxiert, lackiert oder Pulverbeschichtet.
Verarbeitung Lawinenschaufel
Die Verarbeitung einer Schaufel ist wichtig, allerdings sind diesbezüglich viele Hersteller heute sehr gut. Bei den meisten Schaufelblättern ist der Blattschaft (die Fassung/Führung für den Stiel) angeschweisst – bei der Schaufel von BCA z.B. wird auf Schweissnähte verzichtet.
Zusammenbau Lawinenschaufel
Der Stiel wird beim Zusammensetzen ruckartig in den Blattschaft eingeschoben. Dabei rastet ein gefederter Senkknopf in einem Löchlein ein. Je nach Modell funktioniert das einfach und einwandfrei, bei anderen Modellen ist das fummelig und schwieriger, vor allem bei runden Stielen schiesst man schnell über das Ziel hinaus.

Ein leichter Zwischenraum zwischen Stiel und Blattschaft ist erforderlich, damit sich das Material nicht festfressen kann. Einige Modelle haben aber zuviel davon und vermitteln nach dem Zusammenbau ein wackeliges/klappriges Gefühl.
Auch beim Zerlegen muss man die Senkknöpfe aktiv betätigen, was mit dicken Handschuhen und je nach Position des Senkknopfes manchmal schwierig sein kann. Die Schaufel auseinander zu bauen ist natürlich nicht so entscheidend.
Gut bedienen lassen sich seitliche Doppelknöpfe. Zudem können sie beim Graben nicht beschädigt werden.
Packmass und Gewicht
Entscheidend kann zudem das Packmass sein. Das kleinste Packmass hat man immer noch, wenn man Stiel und Schaufelblatt auseinander nimmt und getrennt voneinander transportiert.
Anders funktionieren hier die Deploy-Modelle von Black Diamond. Der Stiel wird hier in das Schaufelblatt geschoben. Das sieht auf den ersten Blick zwar kompakt aus, nimmt aber deutlich mehr Platz in Anspruch bzw. passt nicht in jeden Rucksack.

Gerade Schaufeln mit kleinem, geradem Blatt und ohne Teleskopstiel sind natürlich am leichtesten und besten zu transportieren, aber auch lange nicht so komfortabel zu bedienen.
Empfehlung Lawinenschaufel
Wir empfehlen für den Bereich der Tourengeher, Variantenfahrer, Freeride, Schneeschuhwanderer eine hochwertige Schaufel aus Aluminium 6061 oder T6-hitzegehärtet mit ovalem, teleskopierbarem Stiel, D-Griff und Trittrand.
Die Grösse des Schaufelblatts ist abhängig davon, wie kräftig der Verwender/die Verwenderin ist.
Tests Lawinenschaufeln
Wir haben eine Reihe von Schaufeln in der Praxis getestet. Dabei wurden auch das Gewicht, die Ausstattung, die Verarbeitung, der Zusammen- und Abbau, das Schaufeln, das Eindringen/Einstechen und die Stabilität bewertet.
Andere Schaufeltests sind online nicht unzählige Gute zu finden. Wir empfehlen den Schaufeltest von Genswein/Eide 2008, veröffentlicht u.a. bei avalanche.ca, einem kanadischen Fachmagazin.
Der Link zum Schaufeltest funktioniert leider nicht.
Danke für den Hinweis – hier findest Du den Test: http://goo.gl/81xiG
Pingback: Ratgeber Grundlagen Lawinenairbag-Rucksack - ILB